Künftig gelten für alle von der Grenzschutzagentur Frontex koordinierten Einsätze verpflichtende Vorschriften zur Suche und Rettung von Flüchtlingen sowie klare Maßgaben für das Abfangen von Schiffen. Eine entsprechende Verordnung haben die Europaabgeordneten am Mittwoch in Straßburg verabschiedet. Zuvor hatten sich die Vertreter von Parlament und Rat darauf geeinigt.
Birgit Sippel, Innenexpertin der SPD-Europaabgeordneten unterstreicht: „Die neue Verordnung verbessert den Schutz und die Grundrechte von Flüchtlingen, die auf dem Seeweg nach Europa kommen.“ So haben die Parlamentarier das Prinzip gestärkt, Flüchtlinge nicht zurückweisen zu dürfen. Demnach können diese nicht in einen Staat zurückgewiesen werden, wo ihnen etwa Folter oder andere unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen drohen. Darüber hinaus sind Grenzschutzbeamte künftig verpflichtet, in Notsituationen einzugreifen und Leben zu retten. Auch hat das EU-Parlament Abdrängaktionen auf hoher See, sogenannten push-backs, die gegen die europäische Menschenrechtskonvention verstoßen endlich ein Ende gesetzt.
In Zukunft müssen Grenzpolizisten und Frontex-Mitarbeiter wenn nötig Flüchtlingen auch den Zugang zu medizinischer Versorgung, Übersetzungsdiensten und Rechtsberatung gewährleisten sowie im Falle einer Ausschiffung Betroffene über ihren Zielhafen informieren.
„Natürlich gibt es immer Raum für Kritik“, meint dennoch Birgit Sippel. Theoretisch könnten Flüchtlinge zurück in einen Drittstaat gebracht werden. „Bis jetzt ist das bei Frontex-Einsätzen aber de facto noch nie vorgekommen.“
„Das Wichtigste an der neuen Verordnung ist, dass sich die Herangehensweise ändert. Suche und Rettung sind nun Teil des Grenzschutzes. Außerdem müssen die Menschen an Bord zunächst einmal identifiziert und die individuellen Umstände geprüft werden, bevor weitere Schritte erfolgen können.“ Dadurch läge der Schwerpunkt stärker auf dem Schutz von Flüchtlingen als auf der Verhinderung irregulärer Einwanderung.
Birgit Sippel: „Bekämpfung irregulärer Einwanderung und Schutz von Flüchtlingen werden immer gegenläufig sein. Deshalb reicht es nicht, eine Verordnung zur Seenotrettung zu verabschieden. Wir müssen mehr tun, um die Fluchtursachen in den Herkunftsländern selbst zu bekämpfen, aber auch legale und sichere Wege für schutzbedürftige Menschen nach Europa schaffen.“
Hintergrund: Der Verordnungsvorschlag, den die EU-Kommission im April vorgelegt hat, soll den Beschluss des Rates 2010/252/EG ersetzen, der bereits bestehende Völkerrechtsbestimmungen in einem einzigen Rechtsinstrument für gemeinsame Einsätze an den Seeaußengrenzen zusammenfasst. Im September 2012 war der Beschluss vom EuGH annulliert worden, nachdem das Parlament geklagt hatte, um im Mitentscheidungsverfahren an der Beschlussfassung beteiligt zu sein.