Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit

Durch die schrittweise Abschaffung der Grenzkontrollen in der EU wurde die Freizügigkeit für die Unionsbürger*innen erheblich vereinfacht. Allerdings machen auch Straftäter*innen nicht mehr an Landesgrenzen halt.  Eine verstärkte polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit ist daher unerlässlich. Dazu gehört die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen, die Schaffung grenzüberschreitender Ermittlungsinstrumente und die bessere Koordinierung und Zusammenarbeit unserer Polizei- und Justizbehörden unterstützt durch das Europäische Polizeiamt (Europol), die Agentur für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust), die Drogenagentur (EUDA) oder auch die EU-Behörde zur Bekämpfung der Geldwäsche (AMLA). Dazu gehört aber auch die Schaffung eines EU-Rechtsrahmens, mit dem die Rechte von Opfern, Tatverdächtigen und Strafgefangenen EU-weit geschützt werden.

  • Elektronische Beweismittel – e-evidence

Unser Alltag verschiebt sich immer häufiger in die digitale Welt, aber auch Straftaten werden zunehmend online vorbereitet, durchgeführt oder vertuscht. So sind elektronische Beweismittel (e-evidence) mittlerweile eine der wichtigen Erkenntnisquellen bei Ermittlungen und Strafverfahren. Das Problem: Online-Kommunikationsdienste werden überall in der Welt bereitgestellt, e-evidence sind somit nur selten in dem ermittelnden Land gespeichert. Bisher ist es jedoch extrem zeitaufwändig, die Daten zu bekommen, sodass Daten bereits gelöscht sind und Ermittlungen viel zu oft im frühen Stadium eingestellt werden müssen und die Straftäter*innen unbescholten davonkommen. Das ist für Ermittlungsbehörden und Opfer gleichermaßen frustrierend.

  • EU-interne Regeln

Mit dem im Juni 2023 von Parlament und Rat angenommenen e-evidence Paket werden die nationalen Ermittlungsbehörden Provider in anderen EU-Mitgliedstaaten direkt zur Herausgabe oder Sicherung elektronischer Beweismittel auffordern können, auf Basis EU-weit einheitlicher Fristen und Regeln.

Die mehr als fünf Jahre dauernden, teils intensiven Verhandlungen habe ich als Berichterstatterin des Europäischen Parlaments (Rapporteur) geleitet. Die ursprünglichen Kommissionsvorschläge und teils auch die Ratsposition ließen zunächst vollkommen außer Acht, dass das Strafrecht innerhalb der EU noch immer recht unterschiedlich ist, etwa bei der Frage, was überhaupt eine Straftat ist. Als Parlament haben wir uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass bei der direkten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Ermittlungsbehörden und Service-Providern unsere Grundrechte gewahrt bleiben, insbesondere die Privatsphäre und der Datenschutz, aber auch Verfahrensrechte. Bei Anordnungen zur Herausgabe besonders sensibler Daten – Verkehrs- und Inhaltsdaten – müssen nationale Ermittlungsbehörden künftig zeitgleich auch die Behörden des Mitgliedstaats, in dem der Service-Provider sitzt, über die Anordnung informieren. Letztere können die Herausgabe verweigern, zum Beispiel wenn Pressefreiheit oder Grundrechte verletzt werden oder die Tat im Land des Providers keine Straftat ist.

Aktuell wird dieses Paket umgesetzt: Die Richtlinie zur Benennung von Niederlassungen bzw. Vertretern der Provider muss bis zum 28. Februar 2026 ins nationale Recht in den Mitgliedstaaten umgesetzt sein. Die Verordnung zur grenzüberschreitenden Herausgabe und zu Sicherungsanordnungen muss ab dem 18. August 2026 angewandt werden.

  • Internationale Verhandlungen

Die internen e-evidence Vorschriften bilden die Grundlage für mögliche internationale Kooperationsabkommen. Die Kommission verhandelt derzeit im Namen der EU über ein mögliches Abkommen zwischen der EU und den USA über elektronische Beweismittel. Zudem wurde im August 2024 ein Text im Rahmen der Vereinten Nationen ausgehandelt, mit dem ein Übereinkommen der Vereinten Nationen über Cyberkriminalität geschaffen werden soll. Bevor die EU bzw. die Mitgliedstaaten diese Abkommen unterzeichnen und ratifizieren können, muss das Europäische Parlament zustimmen. Als Berichterstatterin für die Verhandlungen zwischen der EU und den USA und Schattenberichterstatterin für das VN-Übereinkommen werden meine Kolleg*innen und ich die Texte kritisch prüfen. Da sich das EU-Rechtssystem von dem der USA und noch deutlicher von dem mancher Staaten der Vereinten Nationen unterscheidet, muss der Schutz der Grundrechte, insbesondere des Rechts auf Privatsphäre und des Schutzes der eigenen Daten, ausreichend garantiert sein.

Rechtsstaatlichkeit

Der demokratische Rechtsstaat garantiert, dass Regierungen und Verwaltungen nur im Rahmen der bestehenden Gesetze handeln dürfen, die Grundrechte der Bürger*innen garantiert und staatliche Entscheidungen von unabhängigen Gerichten überprüft werden.

Wir erleben jedoch in der EU, dass einzelne Regierungen die Unabhängigkeit der Justiz zunehmend untergraben, die Medienfreiheit beschneiden und versuchen, Kritiker*innen mundtot machen. Daher wurden auf EU-Ebene verschiedene Instrumente erschaffen, mit denen die Rechtsstaatlichkeit geschützt werden soll. Dazu gehören der jährliche Rechtsstaatlichkeitsmechanismus – inklusive des jährlichen Rechtsstaatlichkeitsberichts – , die Konditionalitäts-Verordnung, Vertragsverletzungsverfahren oder auch das sogenannte Artikel 7-Verfahren.

Leider zeigt beispielsweise die Situation in Ungarn, dass diese Instrumente nicht immer ausreichen. Zudem müssen wir besser darin werden, bereits präventiv gegen entstehende Probleme vorzugehen. Als S&D-Fraktion fordern wir daher eine Reform der Konditionalitäts-Verordnung, damit EU-Mittel nicht nur eingefroren werden, wenn der Unionshaushalt unmittelbar gefährdet ist, sondern bei jeglichen Verstößen gegen unsere gemeinsamen Werte. Auch das Artikel-7-Verfahren ist in seiner aktuellen Form zu schwach: Als Parlament brauchen wir mehr Mitspracherechte in diesem Verfahren, sowie niedrigschwellige Entscheidungsmöglichkeiten im Rat, damit nicht weiter einzelne Mitgliedstaaten das Verfahren blockieren. Schließlich muss bei der Vergabe von EU-Fördermitteln grundsätzlich gelten, dass Gelder nur an diejenigen verteilt werden, die beschlossene Gesetze solidarisch und im Einklang mit den Regeln und Werten der EU konkret umsetzen.

Minderheitenschutz & Gleichstellung

Der „Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts“ ist ein Raum für alle Bürger*innen der EU. Dennoch profitieren nicht alle gleichermaßen von dieser Errungenschaft. Insbesondere Minderheiten werden weiterhin viel zu häufig Opfer von Diskriminierung oder sogar Hetze und körperlicher Gewalt. Hierzu gehören Frauen und Kinder genauso wie Menschen mit Behinderungen, Senior*innen, People of Colour, Roma, LGBTIQ+ oder Angehörige religiöser Minderheiten.

Im LIBE-Ausschuss des Europäischen Parlaments setzen wir uns für den Schutz von Minderheiten und die Bekämpfung von Diskriminierung ein, sei es durch EU-Gesetze, mit denen wir einen EU-weiten Rechtsrahmen schaffen, oder über Entschließungen, mit denen wir auf Missstände hinweisen. Zu den aktuell laufenden Verfahren zählt die Einstufung von Hetze und Hassverbrechen als „EU-Straftatbestände“ nach Art. 83 AEUV oder auch die EU-weite Anerkennung von Elternschaft und damit die Stärkung der Rechte von Kindern, insbesondere aus Regenbogenfamilien. Aber auch die Anti-Diskriminierungs-Richtlinie, die wegen der notwendigen Einstimmigkeit seit 2009 im Rat feststeckt, muss endlich zum Abschluss gebracht werden, um den rechtlichen Schutz gegen Diskriminierung, einschließlich der Diskriminierung aus Gründen des sozialen Geschlechts, der Hautfarbe oder der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung EU-weit sicherzustellen.

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