Standpunkte zur Flüchtlingspolitik
Die Situation der vergangenen Jahre war untragbar: wir erleben systematische Menschenrechtsverletzungen an unseren Grenzen mit zahlreichen Pushbacks, die oft ungeahndet bleiben. Das geltende EU-Asylrecht wird von den Mitgliedstaaten seit Jahren nur sporadisch umgesetzt und anstatt dies zu ahnden, lobt Kommissionspräsidentin von der Leyen Mitgliedstaaten, die auf rigorose Abschottung setzen. Deshalb ist es wichtig, dass wir mit dem Migrations- und Asylpakt klare Regeln schaffen, sodass Mitgliedstaaten ihre Verantwortung wahrnehmen und Schutzsuchenden einen Zugang zu Asyl in Europa ermöglichen. Wir müssen Migrationspolitik gesamtheitlich gestalten, Einwanderung als Chance nutzen und eine erfolgreiche Integration ermöglichen.
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS)
Durch das Dublin-System und das damit einhergehende Ersteinreiseprinzip tragen die Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen eine besondere Verantwortung der Aufnahme schutzsuchender Menschen. Um diese Verantwortung gerechter aufzuteilen, verpflichtet der neue Solidaritätsmechanismus Mitgliedstaaten erstmals dazu, sich untereinander zu unterstützen. Das kann dadurch geschehen, dass Mitgliedstaaten Asylbewerber*innen aufnehmen, aber auch durch finanzielle oder materielle Unterstützung.
Daneben sind die ausgeweiteten Asyl-Grenzverfahren und die Regelungen für sichere Drittstaaten zentrale Neuerungen der im April 2024 vom Parlament beschlossenen Reform. Beide Aspekte waren gerade für uns Sozialdemokrat*innen schwierig zu akzeptieren, weshalb wir in den kommenden Jahren gerade hier die Umsetzung und Einhaltung der Grundrechte eng verfolgen müssen.
Zuletzt war insbesondere für mich als Berichterstatterin auch das neue Screening-Verfahren eine entscheidende Neuerung. Damit werden wir flächendeckend alle irregulär eingereisten Menschen registrieren und sie einer Identitäts- und Sicherheitsprüfung unterziehen. So stellen wir in der EU sicher, dass wir stets wissen, wer einreist und schaffen eine bessere Grundlage für die danach folgenden Verfahren. Außerdem führen wir einen neuen Überwachungsmechanismus für Grundrechte im Screening-Verfahren ein, der die Einhaltung von EU- und internationalem Recht kontrollieren wird.
Dies sind aber nur einige, wenn auch sehr wichtige, Punkte. Das GEAS umfasst insgesamt zehn Gesetzestexte, die von den Mitgliedstaaten bis zum Sommer 2026 umgesetzt werden müssen.
Rolle der Kommunen bei Aufnahme und Inklusion stärken
Klar ist: für einen gelungenen Umgang mit Schutzsuchenden sind unsere Bürger*innen, aber auch Kommunen, regionale und nationale Akteure unerlässlich. Deshalb freut es mich, dass weiterhin viele Kommunen ihren Teil der Verantwortung für die Aufnahme und Inklusion geflüchteter Menschen übernehmen wollen und dabei auch von Bürger*innen vielfältig unterstützt werden. Doch die Aufnahme und Inklusion ist eine große Herausforderung für uns, gerade auch angesichts der Menge weiterer gesellschaftlicher Herausforderungen in unserer Zeit wie Klimawandel, Digitalisierung, und der Stärkung der Industrie. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Kommunen sich nicht allein zurückgelassen fühlen.Wir brauchen mehr finanzielle Unterstützung und Zusammenarbeit zwischen EU, Bund und Ländern. Diese wollen wir zum Beispiel mit einem Ausbau des Fonds für Asyl, Migration und Integration (AMIF) erreichen, dessen Mittel möglichst auch direkt an Kommunen ausgezahlt werden sollten.
Ganz wichtig ist auch: wir Politiker*innen müssen gezielt mit Bürger*innen ins Gespräch kommen und ein offenes Ohr für ihre Gedanken und Sorgen haben. Nur durch den Dialog lösen wir Missverständnisse und Vorurteile auf und finden gleichzeitig gemeinsam Lösungen für die Unterbringung Geflüchteter und ihre Integration in unsere Gesellschaft.
Wir müssen außerdem sicherstellen, dass private Seenotretter für ihren humanitären Einsatz nicht kriminalisiert werden. Denn klar ist: Seenotrettung und humanitäre Hilfe ist kein Verbrechen. Als Berichterstatterin für die Überarbeitung der Richtlinie zur unerlaubten Einreise, in der es insbesondere auch um die Kriminalisierung von humanitärer Hilfe geht, werde ich mich in den nächsten Jahren intensiv gegen diese Kriminalisierung einsetzen. Statt also die Menschen zu bestrafen, die sich an europäische Werte halten und internationales Recht befolgen, braucht es ein europäisches Seenotrettungsprogramm. Denn die Aufgabe, Menschen vor dem Ertrinken zu retten, ist Verpflichtung der Mitgliedstaaten.
Legale Wege nach Europa ermöglichen
Damit Menschen sich nicht mehr gezwungen sehen, auf die Dienste von Schleuserbanden zurückgreifen zu müssen, braucht es eine Ausweitung und Vereinfachung sicherer und legaler Migrationswege für Schutzsuchende. Das humanitäre Resettlement-Programm in Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR, ist von den Mitgliedstaaten zuletzt vernachlässigt worden. Dabei stellt es eine effektive und geordnete Möglichkeit dar, schutzsuchende Menschen, die sich in Flüchtlingslagern im Nahen Osten, Afrika oder Asien befinden, in Europa aufzunehmen. Damit unterstützen wir die betroffenen Menschen, aber auch die Staaten, die den Großteil der weltweit vertriebenen Menschen aufgenommen hat.
Doch auch für Menschen, die zu uns kommen wollen, um hier zur arbeiten, müssen wir legale Zuwanderungsmöglichkeiten vereinfachen, ausweiten und neu schaffen. Hierbei können wir uns am deutschen Fachkräfteeinwanderungsgesetz orientieren, das die SPD federführend durchgesetzt hat. EU-weite Maßnahmen sollten über die bestehenden Angebote wie die Blaue Karte EU für Hochqualifizierte und die Saisonarbeiterrichtlinie hinausgehen, schließlich werden europaweit Arbeitskräfte unterschiedlicher Qualifikationen benötigt. Derzeit jedoch erschwert ein Flickenteppich an nationalen Einwanderungsregeln potenziellen Arbeitskräften eine unbürokratische Einreise. Es ist daher an der Zeit, Migrationspolitik EU-weit positiv und nachhaltig zu gestalten und die Chancen zu nutzen, die sich durch Einwanderung und erfolgreiche Integration bieten.
Unabhängig davon gilt es aber auch, die Situation in den Herkunftsstaaten durch umfassende Maßnahmen, einschließlich höherer Investitionen in die Entwicklungspolitik und eine bessere Abstimmung aller entwicklungsrelevanten Politikbereiche, zu verbessern.