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EU-Kommission muss vor Ultimatum tätig werden

Frist des Europaparlaments endet am 1. Juni / Untätigkeitsklage könnte folgen


Die Frist für den Schutz des Rechtsstaates in Europa läuft aus: Das Europäische Parlament hatte in seiner letzten Resolution die EU-Kommission aufgefordert, vor dem 1. Juni endlich den neuen Rechtsstaatsmechanismus für den EU Haushalt zu aktivieren. Die Kommission erarbeitet derzeit Guidelines, diese sind jedoch keine notwendige Voraussetzung für die Aktivierung des Mechanismus. Wir fordern die EU-Kommission in einem gemeinsamen Statement mit anderen Europa-Abgeordneten auf, die Anwendung nicht weiter hinauszuzögern. Andernfalls drohe der Kommission eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.

Dazu meine sozialdemokratische Kollegin Katarina Barley: „Der Rechtsstaatsmechanismus ist eine der größten Errungenschaften des neuen EU-Haushalts und des Wiederaufbaufonds. Erstmals verfügt die EU-Kommission damit über ein wirksames Instrument, um den Rechtsstaat in der Europäischen Union zu verteidigen. EU-Gelder können künftig eingefroren werden, sollte die Regierung eines Mitgliedstaats gegen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Obwohl das Gesetz am 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist, hat die EU-Kommission es bislang nicht angewendet. Sie hat noch nicht einmal eine erste schriftliche Benachrichtigung an möglicherweise betroffene Mitgliedsländer verschickt. 

Angesichts der überwältigenden Rechtstaatsdefizite in der Europäischen Union ist die EU-Kommission in der Pflicht zu handeln. Das Europaparlament hat in seiner Resolution vom 25. März 2021 deutlich gemacht, dass es eine Tatenlosigkeit der EU-Kommission bei der Anwendung des Rechtsstaatsmechanismus als Unterlassung im Sinne des Artikel 265 der EU-Verträge betrachtet. Auf dieser Grundlage kann das Parlament die Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. 

Der Europäische Gerichtshof hat unmissverständlich zahlreiche Rechtsstaatsdefizite in der Europäischen Union festgestellt – allen voran in Polen und in Ungarn. Der Rechtsstaatsbericht der EU-Kommission hat ebenso mehrere Rechtsstaatsverstöße nachgewiesen. Darüber hinaus hat die EU-Antibetrugsbehörde OLAF erhebliche Risiken für den Missbrauch von EU-Geldern festgestellt. Es gibt demzufolge keine vertretbare Rechtfertigung für die EU-Kommission, die Auslösung des Rechtsstaatsmechanismus weiter herauszuzögern. Die Anwendung des Rechtsstaatsmechanismus darf auch nicht von der Ausarbeitung eines ‚Leitfadens‘ durch die EU Kommission abhängen.  Das Ultimatum des Europaparlaments an die EU-Kommission verstreicht am 1. Juni 2021. Wir rufen die EU-Kommission daher dazu auf, die ersten Schritte des Rechtsstaatsmechanismus laut dessen Artikel 6(1) einzuleiten und das Europaparlament darüber zu informieren. Andernfalls wird das Europaparlament keine andere Wahl haben, als gerichtliche Schritte nach Artikel 265 der EU-Verträge auf den Weg bringen.“
Unterzeichner*innen sind neben Dr. Katarina Barley: Roza Thun und Hohenstein (EVP, Polen), Elena Yoncheva (S&D, Bulgarien), Katalin Cseh (Renew, Ungarn), Lara Wolters (S&D, Niederlande), Moritz Körner (Renew, Deutschland), Daniel Freund (Grüne, Deutschland), Sophie in’t Veld (Renew, Niederlande), Othmar Karas (EVP, Österreich). Die Parlamentsresolution vom 25. März mit dem Ultimatum an die EU-Kommission finden sie hier. 

Untätigkeitsklage: Laut Artikel 265 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union kann das Europäische Parlament beim Europäischen Gerichtshof Klage auf Feststellung einer Vertragsverletzung erheben, wenn es die Kommission unter Verletzung der Verträge unterlässt, einen Beschluss zu fassen.

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