Der Tag einer Europaabgeordneten

Was wissen Menschen über den Alltag von Abgeordneten, was können sie wissen? Hin und wieder steht etwas in der Zeitung oder es gibt einen Beitrag im Radio; im Fernsehen sieht man Abgeordnete mal im Interview, mal im Plenarsaal. Und dieser ist oft auch ziemlich leer. Was also tun Abgeordnete den ganzen Tag?

 

Unser „Arbeitsrhythmus“ im Europäischen Parlament

Sitzungswochen in Brüssel

Wir haben in der Regel pro Monat 3 Sitzungswochen in Brüssel, eine Plenarwoche in Straßburg. In den Brüsseler Sitzungswochen heißt es für mich: Montagmorgen geht es los Richtung Parlament, Rückreise Donnerstagnachmittag oder -abend.

Und wie sieht ein Arbeitstag in Brüssel dann aus? Sofern kein Arbeitsfrühstück um 08.00 Uhr ansteht, bin ich um 08.30 Uhr im Büro. Offizielle Sitzungen wie Ausschuss oder Fraktion beginnen um 09.00 Uhr und enden um 12.30 Uhr. In der Mittagspause lese ich Mails, beantworte Anfragen von Bürger_innen oder lese Vorlagen für die kommenden Sitzungen. Meist nutze ich die Mittagszeit aber für Treffen mit Kolleg_innen aus der deutschen SPD-Gruppe oder Fraktionsmitgliedern aus der sozialdemokratischen S&D_Fraktion aus anderen Ländern . Aber auch Treffen mit Vertreter_innen der EU-Kommission oder dem Rat, Vertreter_innen nationaler Politik oder Botschafter_innen sowie mit Interessenvertreter_innen von Unternehmen, Gewerkschaften, Kirchen und Vereinen finden in dieser Zeit statt. Hinzu kommen Gespräche mit den vielen Besuchergruppen mit Unterstützung des Besucherdienst des Hauses. Von 15.00 Uhr bis 18.30 Uhr stehen weitere offizielle Sitzungen an, aber auch weitere parallele Termine. Danach nochmal kurz ins Büro und anschließend häufig weitere Veranstaltungen wie Diskussionsveranstaltungen in den Vertretungen der Bundesländer.

Als besonders spannend empfinde ich bei meiner Arbeit den täglichen Austausch in einem internationalen Umfeld, das ständige Bemühen um gemeinsame Lösungen – bei zum Teil sehr unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in den Mitgliedstaaten und unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Traditionen.

 

 Plenarwochen in Straßburg

Die Plenartagungen in Straßburg verlaufen ähnlich – Montagmorgen Fahrt nach Straßburg, Donnerstagnachmittag Rückreise nach Südwestfalen – allerdings dauern die Tage länger: Fraktionssitzungen bis 21.00 Uhr, Sitzungen des Plenums teils bis 23.00 Uhr.

Viele sind da überrascht, dass der Plenarsaal oft so leer aussieht. Voll ist der Saal natürlich bei Abstimmungen, die von Dienstag bis Donnerstag immer zwischen 12.00 Uhr und 14.00 Uhr stattfinden. Wenn morgens und nachmittags bzw. abends jedoch themenspezifische Debatten geführt werden, sind häufig nur die inhaltlich zuständigen Kolleg_innen aus den verschiedenen Ausschüssen anwesend. Parallel nehmen die übrigen Abgeordneten in dieser Zeit weitere Gesprächstermine, Sitzungen etc. wahr. Dazu gehören, neben vielen anderen, auch die Besuchergruppen, für die ich mir immer gerne Zeit nehme.

 

„Grüne Wochen“

Neben den Sitzungs- und Plenarwochen in Brüssel und Straßburg gibt es hin und wieder auch sogenannte „grüne Wochen“, in denen die Abgeordneten entweder an Delegationsreisen teilnehmen oder Termine vor Ort in ihren Heimatregionen wahrnehmen können: in Schulen und Betrieben, bei Gewerkschaften und Partei, Sozialverbänden, Vereinen u.v.m.

Gerade diese „grünen Wochen“, aber auch die Wochenend-Termine in Südwestfalen ermöglichen erst die Verknüpfung meiner parlamentarischen Arbeit mit den besonderen Stärken, aber auch den Herausforderungen meiner Region Südwestfalen. Die zahlreichen Veranstaltungen und Gespräche vor Ort ermöglichen es mir nicht nur, über Entwicklungen in der EU und meine Arbeit zu berichten, sondern auch mitzunehmen, welche Themen vor Ort besonders diskutiert werden: soziale Sicherheit und gerechte Steuern, gesellschaftlicher Zusammenhalt und außenpolitische Entwicklungen, Sicherheit, Frieden und Demokratie, aber auch europäische Förderprogramme.

Natürlich bietet nicht jeder Tag – wer könnte das in seinem Beruf schon behaupten – Erfolge. Doch immer wieder kann ich gemeinsam mit meinen Kolleg_innen Einfluss nehmen, Gesetze und politische Debatten gestalten.

Das alles treibt mich an, das macht – trotz manchem Frust – Spaß. Für mich eine tolle Motivation, auch für die weitere Arbeit.